11. März 2023

Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen



Vom Test zum Beratungsgespräch

Grundsätzlich muss sich jede schwangere Person selbst zwischen dem Abbruch und dem Austragen der Schwangerschaft entscheiden. Nach dem Feststellen einer Schwangerschaft tickt jedoch die Uhr, weil ein Schwangerschaftsabbruch nur bis zur zwölften Woche durchgeführt werden kann.

Hier trifft eine schwangere Person auf die ersten Hürden: Oft wird eine Schwangerschaft erst relativ spät festgestellt – somit ist der Zeitraum schon begrenzt. Außerdem ist es in vielen Praxen schwierig, einen Termin zu bekommen, welcher ohnehin für viele Menschen, zum Beispiel sehr junge Personen oder nicht weibliche Schwangere, eine Hemmschwelle ist.
Bei diesem Termin muss ärztliches Fachpersonal die Schwangerschaft bestätigen und den Zeitpunkt der Befruchtung feststellen. Hier ist wieder die zwölf-Wochen-Marke wichtig. Dabei wird ab der Befruchtung der Eizelle gerechnet. Innerhalb der zwölf Wochen müssen also alle nötigen Termine wie Bestätigung der Schwangerschaft, Beratungsgespräch und Ähnliches stattgefunden haben.

Von den behandelnden Ärzt*innen wird über den instrumentellen und den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch aufgeklärt und es muss sich anschließend für eine Variante entschieden werden. Allerdings gibt es nicht immer beide Möglichkeiten in den Praxen vor Ort und die Kosten und Finanzierung unterscheiden sich bei den Varianten. Genauere Details zu diesen beiden Möglichkeiten findest du unter dem Punkt “Durchführung des Schwangerschaftsabbruches”.

Um einen Schwangerschaftsabbruch möglich zu machen, ist ein Beratungsgespräch gesetzlich vorgeschrieben. Ärzt*innen können eine Liste mit Beratungsstellen zur Verfügung stellen. An dieser Stelle kritisieren wir deutlich: Warum ist dieses Beratungsgespräch gesetzliche Pflicht? Dies ist eine Bevormundung der schwangeren Person, denn alleinig diese sollte über ihren Körper entscheiden dürfen. Eine weitere Hürde hierbei ist, dass die schwangere Person selbst nach einer Beratungsstelle suchen und sich um die Terminvereinbarung kümmern muss. Auch dies stellt für manche Personen erneut ein Hindernis dar, zum Beispiel durch mangelnden Zugang zum Internet oder fehlende Abdeckung durch Beratungsstellen. Abermals geht somit wertvolle Zeit verloren.

Von der Beratungsstelle wiederum bekommt man eine Liste mit Arztpraxen, in denen Abbrüche durchgeführt werden. Alternativ kann man sich über die Bundesärztekammer oder lokale Anzeigen selbst online informieren, allerdings sind öffentlich zugängliche Listen aufgrund der Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen meist unvollständig. Infolge dieser Stigmatisierung und des jahrelangen “Werbeverbots” durch den abgeschafften Paragrafen 219a gibt es außerdem viel zu wenige Mediziner*innen in Deutschland, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Nach dem Beratungstermin muss man drei volle Tage warten, bevor man den Abbruch bei einer in der Gynäkologie tätigen Person durchführen lassen kann. Auch hier ist unsere deutliche Kritik: Warum muss eine Person, die sich schon längst für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hat, noch drei Tage warten? Diese “Bedenkzeit” kann für Schwangere sehr qualvoll sein und hat keinen plausiblen Grund.

In der Regel findet 24 Stunden vor dem Eingriff nochmal eine medizinische Voruntersuchung in der Praxis statt.


Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs (medikamentös/instrumentell)

Medikamentöser Abbruch

Ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch wird mit einer Kombination aus zwei Medikamenten vorgenommen: Mifegyne und Prostaglandin (z.B. Misoprostol). Mifegyne wird zuerst verabreicht. Es wirkt, indem es die Rezeptoren des Hormones Progesterone blockiert, welches für das weitere Wachstum des Embryos notwendig ist. Die Einnahme muss in Deutschland unter ärztlicher Aufsicht vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass das Medikament nicht an Dritte weitergegeben wird. Nach circa 48 Stunden wird das zweite Medikament eingenommen, dies geschieht zu Hause.
Da der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach wie vor gesetzlich nicht erlaubt, sondern nur toleriert ist, sind die Medikamente, die den Schwangerschaftsabbruch einleiten, nicht für Schwangerschaftsabbrüche zugelassen. Man spricht hier von ‚off-label use‘, also einem nicht vorgesehenen Verwendungszweck, über den durch Ärzt*innen aufgeklärt wird. Misoprostol und ähnliche Medikamente werden tagtäglich in der Geburtshilfe eingesetzt, um Wehen einzuleiten. Zugelassen ist Misoprostol für die Behandlung von Magengeschwüren. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Durchfall und Hautausschläge, ebenso wie Kopfschmerzen, Schwindel und Magen-Darmbeschwerden.

Es gibt unterschiedliche Applikationsformen: Oral (durch das Aufnehmen der Mundschleimhaut) oder alternativ auch schluckend oder vaginal. Jede Form der Einnahme hat unterschiedliche Nebenwirkungen. In der Regel gilt die vaginale Einnahme als Variante mit der geringsten Nebenwirkungsrate.
Nach einigen Stunden bis wenigen Tagen treten dann, als Folge des Gewebeabgangs, Blutungen auf. Das Ausmaß dieser Blutungen ist unter anderem abhängig von der Schwangerschaftswoche (SSW). Die Konkretisierung dieses Zeitraumes ist schwer. Bei einem Großteil der Schwangeren beginnt der Abgang bereits nach vier Stunden. Die frühzeitige Einnahme von Schmerzmittel erleichtert den Abbruch. Ein Kontrolltermin wird sieben bis 14 Tage nach Abbruch durchgeführt.
Diese Methode ist in Europa bis zur neunten SSW zugelassen. Die Wirksamkeit der Abtreibungspille liegt bei 95%. Bei den anderen 5% ist ein zusätzliches Entfernen der Gewebereste notwendig.


Abbruch mittels Absaugung (auch instrumenteller oder chirugischer Abbruch genannt)

Dieser Eingriff findet in Absprache mit der Fachberatung in Vollnarkose oder lokaler Betäubung statt. Er gehört zu den Standardeingriffen und gilt deshalb als komplikationsarm. Die Dauer der Absaugung beträgt in der Regel fünf bis zehn Minuten. Bei der sogenannten Vakuumaspiration wird der Gebärmuttereingang schonend aufgedehnt (bis zu 14mm) und das entsprechende Gewebe mit einem weichen Silikonschlauch, der einen Unterdruck erzeugt, abgesaugt.
(Direkt) nach einem durchgeführten Abbruch wird teilweise ein Ziehen, leichter bis mittlerer Schmerz (auch ähnlich Periodenschmerzen) oder Druckgefühl in der Gebärmutter beschrieben. Dies kann sich aber sehr unterschiedlich gestalten: Andere Personen spüren kaum etwas. Nach einem Schwangerschaftsabbruch können außerdem Schmierblutungen in den Folgetagen auftreten. Fieber oder stärkere Schmerzen (welche auf (entzündete) Schwangerschaftsreste in der Gebärmutter hindeuten würden) sollten dann durch eine Ultraschalluntersuchung bei Gynäkolog*innen ausgeschlossen werden. Antibiotikagabe während dem operativen Abbruch senkt die Komplikations- bzw. Entzündungsrate um 50%.

Eine adäquate medizinische Durchführung eines chirurgischen Schwangerschaftsabbruches wird heutzutage steril und mit filigranen Spezialinstrumenten durchgeführt.
Teilweise wird auch ein Teil des medikamentösen mit dem instrumentellen Abbruch verbunden. Dies ist eine schonende Methode für den Gebärmuttereingang. Mit ergänzenden Medikamenten wie Oxytozin können Blutungsmenge und Heilung ebenso positiv beeinflusst werden.
Die nächste Regelblutung menstruierender Personen findet meist schon vier Wochen nach der Abtreibung statt. Es kann jedoch auch zu Menstruationsverschiebungen kommen, bis der Zyklus und somit die Blutung wieder regelmäßig einsetzt.
Kritikwürdig: Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch muss die schwangere Person in der Regel selbst tragen. Sie belaufen sich auf 200 – 570 Euro, je nach Praxis.


Nach dem Eingriff

Direkt nach einem Schwangerschaftsabbruch wird empfohlen, sich an einem Ort mit Toilette aufzuhalten, an dem man sich wohlfühlt, damit man mit Blutungen gut umgehen kann.
Die meisten Menschen berichten von gelegentlichen Blutungen (u.a. abhängig von der Art des Abbruchs) während der ersten Tage bis hin zu sechs Wochen nach dem Abbruch. Nur wenn mehr als vier Binden in zwei Stunden vollgesogen werden, sollte man ärztlichen Rat einholen.
Es ist normal, unmittelbar nach jeder Abtreibungsform Krämpfe, ein Druckgefühl oder Schmerzen zu haben. Diese lassen sich üblicherweise mit einfachen Schmerzmitteln lindern und dauern meist nur ein paar Tage.

Wenn einige Zeit vergangen ist, findet der Eisprung wieder statt. Das kann ab zwei Wochen nach dem Schwangerschaftsabbruch sein, sodass Menstruationsblutungen üblicherweise rund vier bis sechs Wochen nach einem Abbruch zu erwarten sind. Der Erholungsprozess nach einem Eingriff ist sehr individuell – alles ist in Ordnung. Wenn die auszuübende (Lohn)Arbeit schwere körperliche Arbeit beinhaltet, ist es ratsam, nach dem Abbruch mindestens ein bis zwei Tage freizunehmen, um sich körperlich zu erholen. Wenn man von Zuhause aus arbeitet oder es einrichten kann, tagsüber größtenteils zu sitzen, kannst man wahrscheinlich am Tag danach wieder zur Arbeit. Sport kann man machen, sobald man sich bereit fühlt. Es ist jedoch ratsam, nicht in den ersten Tagen gleich aufs Ganze zu gehen, sondern entspannter zu starten. Wann man nach dem Schwangerschaftsabbruch wieder Vaginalsex hat, liegt ganz im eigenen Ermessen.

Mythen-Check: Abtreibungsgegner*innen drohen oftmals mit dem sogenannten “Post Abortion Syndrom” und versuchen damit, den Abbruch zu kriminalisieren. Das “Post Abortion Syndrom” ist aber wissenschaftlich nicht bewiesen und wird daher von keiner medizinischen oder psychiatrischen Vereinigung anerkannt. Ein Schwangerschaftsabbruch erhöht das Risiko für die Entwicklung psychischer Störungen nicht, was Verfechter*innen des “Post Abortion Syndroms” behaupten.


Diskriminierung von queeren Menschen bei Schwangerschaftsabbrüchen

Queere Menschen erfahren noch mehr Hürden auf dem Weg eines Schwangerschaftsabbruchs. Beispielsweise kann es sein, dass queeren Menschen, die einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt sind, die Mittel fehlen, um einen Abbruch in Anspruch zu nehmen. Außerdem sind queere Personen nicht nur häufiger nicht versichert, sondern sehen sich auch öfter mit Stigmatisierung und Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung konfrontiert, einschließlich Missgendering und aufdringlicher Fragen zu ihrer Sexualität oder ihrem Geschlecht. Gerade trans Menschen sind von der Illegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen besonders betroffen. Ihnen wird öfter zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten als cis Personen. Daraus resultiert ein großes Problem: trans Menschen und nicht-binäre Menschen versuchen deutlich häufiger, selbst den Abbruch vorzunehmen und nicht in eine Klinik zu gehen – aus den oben genannten Gründen. Das birgt ein immenses Gesundheitsrisiko. Sowohl ein selbst durchgeführter Abbruch wie auch die Befürchtung, als trans Person eine Schwangerschaft austragen zu müssen, ohne dies zu wollen, können extrem traumatische Erfahrungen sein und müssen verhindert werden.

Im Prinzip sollte es ganz einfach sein: Alle Menschen, die schwanger werden können, sollten den gleichen, barrierearmen und sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen haben, ganz egal wie sie finanziell aufgestellt sind, wie alt, welche Sexualität oder Gender.


Quellen

– https://www.profamilia.de/themen/schwangerschaftsabbruch#:~:text=Es%20sind%20drei%20Arzt%2D%20oder,medikament%C3%B6ser%20Schwangerschafts-abbruch%20in%20Frage%20kommt.
– https://www.unicum.de/de/studentenleben/zuendstoff/schwangerschafts-abbruch-abtreibung-ablauf-beratung#:~:text=Der%20Schwangerschafts-abbruch%20kann%20nur%20stattfinden,beim%20Gyn%C3%A4kologen%20durchf%C3%BChren%20lassen%20kann.
– https://www.buzzfeed.de/news/trans-maenner-abtreibung-usa-lgbtq-transgen-der-nonbinary-schwangerschaftsabbruch-roe-wade-91783775.html
– https://srh.bmj.com/content/48/e1/e22.abstract
– https://www.guttmacher.org/article/2020/01/transgender-abortion-patients-and-provision-transgender-specific-care-non-hospital
– https://gwi-boell.de/de/2022/01/17/trans-schwangerschaft
– https://open.spotify.com/episode/0SIV0BCwkAVNNJQfv7ucBQ?si=e370f039279642ff
– https://helloclue.com/de/artikel/abtreibung/was-dich-in-den-tagen-nach-einem-induzierten-abort-erwartet/
– https://medikamio.com/de-ch/medikamente/mifegyne/pil
– https://flexikon.doccheck.com/de/Schwangerschaftsabbruch?utm_source=www.doccheck.com&utm_medium=DC%2520Search&utm_campaign=DC%2520Se-arch%2520content_type%253Aall&utm_content=DC%2520Search%2520schwan-gerschaftsabbruch#Mifepriston_und_Prostaglandine
– https://flexikon.doccheck.com/de/Off-Label-Use
– https://flexikon.doccheck.com/de/Oxytocin
– https://helloclue.com/de/artikel/abtreibung/was-dich-in-den-tagen-nach-einem-induzierten-abort-erwartet/
– https://www.profamilia.de/fileadmin/profamilia/verband/Post_abortion_syndro-me.pdf
– https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/wie-das-abtreibungsrecht-mit-lgbtq-angelegenheiten-zusammenhaengt/




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